An alle Mitglieder
Sehr geehrte Weidgenossen,
verschiedene Presseberichte der vergangenen Tage haben den Eindruck erweckt, dass im Land Brandenburg ab dem Beginn des neuen Jagdjahres die Verwendung von bleihaltiger Büchsenmunition untersagt ist. Ein solches generelles Verbot ist jedoch nicht geregelt, vielmehr enthält § 4 Abs. 11 der Durchführungsverordnung ein „Bleiminimierungsgebot“.
Hierzu ist Folgendes voraus zu schicken: seit mehr als 20 Jahren wird über „bleifreie“ (bleiminimierte!) Büchsenmunition diskutiert. In dieser Zeit haben die Munitionshersteller viel in die Entwicklung bleiminimierter Munition investiert, so dass heute in den gängigen Kalibern eine Vielzahl von bleiminimierten Geschossen zur Verfügung stehen. Es liegen auch langjährige Erfahrungen – positiv wie negativ – über die Verwendung bleiminimierter Munition vor. Viele Probleme, die bei den ersten bleiminimierten Geschossen noch bestanden, konnten im Laufe der Jahre reduziert bzw. beseitigt werden. Dennoch kann es – insbesondere bei älteren Waffen – zu Präzisionsproblemen kommen. Teilweise wird auch über eine nicht ausreichende Tötungswirkung bestimmter Geschoß-/Patronenkombinationen berichtet.
- 4 Abs. 11 der Durchführungsverordnung regelt, dass zunächst nur „geeignete“ Büchsenmunition verwendet werden darf. Geeignet ist die Munition, wenn diese eine ausreichende Präzision und eine ausreichende Tötungswirkung entwickelt. Dies bezieht sich auf die jeweilige Waffe und die jeweilige Wildart. Auch konventionelle Munition mit Bleikern kann durchaus „ungeeignet“ sein, wenn sie die genannten Voraussetzungen in der jeweiligen Waffe nicht erfüllt. Die genannte Vorschrift regelt ferner, dass ab dem kommenden Jagdjahr unter den geeigneten Munitionssorten diejenige Munition zu verwenden ist, die möglichst wenig Blei an den Wildkörper abgibt.
Was bedeutet dies in der Praxis ?
- Für meine Büchse ist bleiminimierte Munition nicht erhältlich. Es handelt sich um ein „Sammlerstück“ mit einer heute selten verwendeten Patrone?
In diesem Fall darf mit konventioneller Munition mit Bleikern gejagt werden. Hierbei sind wahrscheinlich Deformationsgeschosse gegenüber sogenannten „Zerlegern“ zu bevorzugen, da Deformationsgeschosse eine geringere Splitterwirkung aufweisen.
- Für meine alte Büchse gibt es bleiminimierte Munition verschiedener Hersteller, jedoch haben Versuche auf dem Schießstand ergeben, dass hierbei keine ausreichende Präzision zu erreichen war. Die Streukreise lagen alle über 10 cm. Mit konventioneller Munition erreiche ich regelmäßig Streukreise unter 5 cm.
In diesem Fall darf mit der konventionellen Munition weiter gejagt werden, es gilt das Gleiche wie unter 1.
- Ich habe mit meiner Büchse mehrere bleiminimierte Patronensorten ausprobiert. Mit zwei dieser Laborierungen schießt die Büchse sehr präzise. Allerdings habe ich festgestellt, dass mit diesen Laborierungen die Tötungswirkung bei Wild unter 50 kg sehr schlecht ist. Ich erlege aber hautsächlich Rehwild und schwaches Schwarzwild.
Auch in diesem Fall darf mit der konventionellen Munition weiter gejagt werden, es gilt das Gleiche wie unter 1.
- Meine Büchse schießt mit verschiedenen bleiminimierten Laborierungen ausreichend präzise. Darunter ist auch eine Laborierung, mit der das von mir gewöhnlich erlegte Wild schnell zur Strecke kommt, die Tötungswirkung ist mit konventioneller Bleikernmunition vergleichbar.
In diesem Fall ist die bleiminimierte Munition zu verwenden.
Die Eignung für bleiminimierte Munition ist ggf. in angemessenen Abständen zu überprüfen. Die Munitionsentwicklung geht weiter und möglicherweise sind in einigen Jahren auch geeignete bleiminimierte Patronen für Waffen verfügbar, für die sich heute keine „geeignete“ bleiminimierte Munition findet.
Die vorgenannte Vorschrift wurde im Sommer 2019 verkündet, so dass in den 1 ½ Jahren seit der Verkündung die Eignung bleiminimierter Munition individuell geprüft und konventionelle Munition verbraucht werden konnte. Leider fehlen die seit langem angekündigten bundesgesetzlichen Regelungen zu Munition, so dass sich das Bleiminimierungsgebot ausschließlich aus der Durchführungsverordnung ergibt.
Zwar ist eine Zuwiderhandlung (derzeit) nicht Bußgeldbedroht, jedoch kann die zuständige Jagdbehörde die Einhaltung ordnungsrechtlich erzwingen. Wer also konventionelle Munition weiterhin verwendet, obwohl für die Waffe bleiminimierte Munition auf dem Markt verfügbar ist, sollte dies auch fundiert begründen können.
Jens Ole Sendke
Rechtsanwalt
Justitiar des Landesjagdverband Brandenburg e.V.